17 Mai Altern ist kein Zufall
Gewiss, jeder wird älter und muss sterben. Und manche Krankheit erscheint ungerecht früh das Leben zu bedrohen. Trifft es einen also – zumindest vom Zeitpunkt her – zufällig, obwohl Altern und Sterben notwendig geschehen?
In diesen Tagen sind mir gleich mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen zu diesem Thema, das ungern ein „Thema“ ist, in die Hände gefallen. Deshalb der etwas humorvolle Ton dieses Beitrags; denn Humor ist ja die menschliche Fähigkeit, auf konstruktive und heitere Weise mit den eigenen Grenzen umzugehen.
Begeistert ist man in wissenschaftlichen Kreisen zur Zeit über ein neues Forschungsergebnis: Man kann jetzt offensichtlich an jeder Körperzelle das Alter ablesen, und zwar nicht das der Zelle [das wäre ja fast banal], sondern das des gesamten Organismus, also des Körpers. – O.K.: Jeder normale Mensch kennt ja wohl sein Alter [wenn er es mitunter auch nicht wahrhaben will], aber ein Wissenschaftler kann es ab jetzt sogar besser wissen.
Eine zweite Studie – aus Dänemark – hat nun ergeben, dass häufiger Streit in Beziehungen das Sterberisiko innerhalb eines Zeitraums von elf Jahren mehr als verdoppeln kann. Auch Sorgen und starke Belastungen innerhalb der Familie verkürzen nach ihr das Leben. Männer sind dadurch mehr gefährdet als Frauen. [Nun ja, das war auch schon vorher klar.] Und Arbeitslosigkeit vergrößert das Risiko zusätzlich [auch das stimmt leider mit vielen anderen Studien überein]. Kurz und knapp: Haben wir Sorgen und Stress – vor allem in Beziehungen –, dann können wir innerhalb von elf Jahren zweimal sterben. Da wir schon nach dem ersten Mal tot sind, kann man auch sagen: Wir altern in Beziehungsstress mehr als doppelt so schnell [Nein, jetzt nicht zum Spiegel rennen…]. Deshalb besser keinen Streit mit dem Partner anfangen, insbesondere wenn man ein Mann ist. Bekannt ist aber auch: wer alleine lebt, stirbt auch früher. Sich komplett zurückzuziehen, hilft auch nicht. Die Forscher ziehen daraus den Schluss: Ein gutes Konfliktmanagement verlängert das eigene Leben, wahrscheinlich auch das der Beziehung.
Und die dritte Studie besagt, dass man den natürlichen Alterungsprozess verlangsamen kann, wenn man gesund lebt. Ja, das ist auch nicht wirklich neu, aber nun einmal mehr wissenschaftlich abgesichert. Die Wissenschaftler nennen das eine Lebensstiländerung.
Der Studie zugrunde gelegt wurden eine fettarme, pflanzliche, vollwertige Ernährung, moderate Bewegung, täglich 30 Minuten Stressausgleich (z. B. Yoga, Meditation) und einmal wöchentlich die Teilnahme an einer psychologischen Gruppensitzung. Klingt anstrengend? Vielleicht ist es das auch. Aber es gibt alltagstaugliche Versionen. Mit Aude Vivere arbeiten wir ja dran. Und wir haben die Studie nicht einmal in Auftrag gegeben…
Fazit: Jeder kann die Wahrscheinlichkeit, länger zu leben, erhöhen: durch weniger Streit, ausgeglichene Lebensweise, ausgewogene Ernährung, hinreichend Bewegung und Stressausgleich. Dann fühlen sich die Zellen wohl. Und kopieren sich bei der Fortpflanzung genauer. Das sieht man uns auch an. Wir sehen dann definitiv besser aus. Und ehrlich: Wer will dann noch anhand der Zellen feststellen lassen, wie alt wir wirklich sind.
Zu den Quellen:
- Wissenschaft-aktuell:„Stressful social relations and mortality: a prospective cohort study, Rikke Lund et al.; Journal of Epidemiology & Community Health, DOI: 10.1136/jech-2013-203675; im Internet [Stand heute]: http://www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Beziehungsstress_verkuerzt_das_Leben1771015589561.html
- Spektrum der Wissenschaft: „Biomarkers and ageing: The clock-watcher“ in Nature 508, S. 168-170, 2014. In deutscher Übersetzung im Internet [Stand heute]: http://www.spektrum.de/alias/epigenetische-uhr/auf-ein-paar-monate-genau/1285389
- Pressetext-Nachrichtenagentur: Evidenzbasiertes Anti-Aging: Lebensstilveränderungen verlängern Telomere; nach einer Lancet-Studie. Im Internet [Stand heute]: http://www.pressetext.com/news/20131011022
- William J. Broad (2013), The Science of Yoga. Was es verspricht – und was es kann. Freiburg: Herder-Verlag