Yoga - Und die Mär von der Gelenkigkeit | Aude-Vivere
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Yoga – Und die Mär von der Gelenkigkeit

Yoga – Und die Mär von der Gelenkigkeit

„Für Yoga bin ich zu steif.“ – „Yoga ist nur was für Gelenkige.“ In Zeitschriften, bei YouTube oder in vielen Köpfen ist das Bild vom geschmeidigen Menschen, der Yoga praktiziert, fest verknüpft. Viele Yogaangebote suggerieren sogar, dass eine hohe Biegsamkeit und Beweglichkeit des Körpers anzustreben, mitunter sogar vorausgesetzt sei.

Um es mal ganz deutlich zu sagen: Das ist Unsinn. Nicht selten werden hier Eitelkeiten bedient. Oder die Attraktion von Yoga für junge Menschen herausgestellt.

Aber: keine der alten Schriften dokumentiert die Beweglichkeit als Fundament des Yoga. Von keinen überbeweglichen Yogi wird berichtet, dass er besonders zufrieden sei. Nirgendwo wird beschrieben, man müsse etwa bei einer stehenden Vorbeuge mit dem Kopf den Boden berühren. Oder den Kopfstand beherrschen. Solche Haltungen sind für die meisten Menschen gesundheitsgefährdend. Medizinisch und physiotherapeutisch wissen wir, dass Leistung und Selbstüberschätzung nur zu Verletzungen und einseitigen Belastungen führt. Genau das ist aber nicht Ziel im Yoga.

Im Grundlagentext des Yoga, dem Yogasutra des Patañjali, der vor etwa 2000 Jahren geschrieben wurde, und auch in den etwas jüngeren Hatha-Yoga-Schriften wird viel Wert auf die Achtsamkeit einer Haltung gelegt. Bei Patañjali heißt es im Yogasutra 2.46 in Bezug auf āsanas: „sthira-sukham āsanam“: die Haltungen sollen stabil und gleichzeitig angenehm sein. Da ist keine Rede von Dehnung bis über die persönlichen Grenzen, von Arbeit in den Schmerz hinein oder enormer Anstrengung. Stabilität und auch eine dauerhaft angenehme Haltung erreiche ich in erster Linie durch Kraft, und zwar vor allem in der tiefer liegenden Haltemuskulatur. Der Gewinn ist eine bessere Haltung im Alltag. Auch unter Belastung. Und eine bessere Konzentration in der Praxis des Yogas. Dies fördert in der Folge auch die Entspannung und das Loslassen.

Das geht in kleinen Schritten, am besten mit Anleitung. Denn Menschen, die sehr beweglich sind, müssen sich die Stabilität im eigenen Körper erarbeiten. Sie erleben die Mühe nur auf eine andere Weise als diejenigen, die in der Kraft die Dehnung stärker mit einzubeziehen haben. Überbewegliche Menschen empfinden nicht selten einen hohen emotionalen Widerstand den Krafthaltungen gegenüber, ähnlich wie eher bewegungseingeschränkte Menschen Widerstand den Dehnungsreizen gegenüber empfinden. Im Yoga werden beide Qualitäten geschult.

Achtsamkeit und ein gutes Körpergefühl entstehen erst, wenn man ihnen Zeit widmet. Sie entstehen durch Übung und regelmäßige Praxis.

Naja. Und angenehm wird’s oft dadurch, dass man es nicht für sich allein, sondern in der solidarischen Gemeinschaft einer Yogagruppe praktiziert. Die dort entstehende Heiterkeit erleichtert zudem auch den Umgang mit dem eigenen Widerstand, der landläufig auch als „Schweinehund“ bekannt ist.